Kritisches, kommunistisches Känguru
- ReadingWitch
- 4. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Rezension "Die Känguru-Chroniken"

Was macht man, wenn ein kommunistisches Känguru unverhofft vor der Tür auftaucht und dir das Leben erklärt? Genau - man lässt es bei sich einziehen. So beschreibt es zumindest Marc-Uwe Kling in seinem Roman "Die Känguru-Chroniken".
Aus der Ich-Perspektive führt uns der Protagonist Mark-Uwe durch die zahlreichen kurzen Episoden aus seinem Alltag mit einem sprechenden Känguru. Dieses Wesen ist nicht nur verfressen und geizig, es ist auch noch egoistisch und scheut jede Arbeit, außerdem hat es eine ausgewachsene Vorliebe für Schnapspralinen. Was es nicht scheut sind philosophische Diskussionen mit Mark-Uwe. Auch liebt es, ihn darauf hinzuweisen, dass sein Handeln den Kapitalismus unterstützt um im selben Atemzug sich genau so zu verhalten. Marc-Uwe ist ein mittelloser Künstler, der verzweifelt versucht von seinem Tun zu leben.
Die Episoden fokussieren sich auf Dialoge. Beschreibungen der Umstände und Situationen rücken dabei in den Hintergrund, bzw. erschließen sich den Lesenden durch die wörtliche Rede. Die Szenen sind ohnehin eher banal und gewöhnlich. Mal sind die Zwei in der WG-Küche, im Vorzimmer eines Arztes, im Kino oder auch Museum. Dennoch ist der Schreibstil sehr bildlich. Die sprachliche Interaktion zwischen Mark-Uwe und dem Känguru hat es allerdings echt in sich. Wie beim Ping-Pong schmeißen sie sich in ihren Debatten den Ball hin und her. Sie diskutieren dabei über die Welt, Politik oder Alltägliches. Das Känguru provoziert dabei gerne und nimmt kein Blatt vor den Mund, und wenn es sein muss, packt es auch schon mal seine roten Boxhandschuhe aus dem Beutel, wodurch Geschichten, welche mit ganz gewöhnlichen Handlungen beginnen, schnell eskalieren. Das ganze garniert Kling mit cleveren Wortspielen, überraschenden Wendungen und unterhaltsamen Pointen. Um die Leser zu fesseln, verwendet Kling unterschiedliche Humorformen. Je nach Konstellation ist es Situationskomik, Wortwitz oder einfach absurde Umstände, die einem mindesten ein Schmunzeln ins Gesicht treiben.
Trotz des ganzen Humors ist das ein gesellschaftskritischer Roman, bei dem die dialogischen Ausführungen der beiden durch den langweiligen Alltag betont werden sollen. Auch bildet das freche Känguru zum passiven Marc-Uwe einen Kontrast und holt diesen mit seinen kontroversen Äußerungen aus der Komfortzone. Es hinterfragt kontinuierlich gesellschaftliche Normen und Strukturen. Die Dialoge werden so entwickelt, dass man als Leser nicht nur die fertige Ansicht vor die Füße geworfen bekommt, sondern diese im Kopf mit entwickelt und schlüssig nachvollziehen kann. Die zwei tauschen sich über die tatsächlichen Zutaten von Fast Food-Produkten aus, über Sendungsformate, die junge Mädchen in die Magersucht treiben, über "Asoziale Netzwerke" und springen zwischen einer jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung Nuss-Nougat-Creme-Brötchen hin und her. Diese skurrilen Unterhaltungen regen zum Nachdenken an.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass dieser Roman von Marc-Uwe Kling eine sehr gelungene Gesellschaftssatire ist. Mit viel Humor und Zynismus legt er den Finger genau dorthin, wo wir vor lauter Alltag die Probleme nicht mehr sehen. Die kurzen voneinander unabhängigen Geschichten bieten die Möglichkeit das Buch auch in kleinen Häppchen zu genießen. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.

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