Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich an den Moment, als ich meine große Tochter zum ersten Mal im Arm hielt. Direkt nach der Geburt lag sie auf meiner Brust und war einfach perfekt. Es war ein Augenblick des Friedens und unendlicher Liebe. Dieses kleine Wesen, das genau in dieser Sekunde meine Zuneigung, Gefühle und Emotionen für immer auf sich vereinigt hat. Dieses kleine Wesen ist meine Tochter und sie braucht mich.
Seitdem sind viele Jahre vergangen und an meinen Gefühlen hat sich nichts verändert, aber meine Tochter hat sich in dieser Zeit verändert. Und wie... Sie ist nun ein Teenager und ich erkenne sie kaum wieder. Von den wundervollen Mädchen in hübschen Kleidern, das Pferde und Bücher liebte, ist nichts mehr übrig. Sie ist mürrisch und wortkarg zu mir, telefoniert aber stundenlag mit Freundinnen. Ihr Zimmer darf ich nicht betreten, obwohl sie mir früher überall hin gefolgt ist, sogar auf die Toilette.
Wie gehe ich den jetzt um mit diesem wandelnden NEIN? Noch bevor ich eine Unterhaltung mit ihr beginnen kann, verdreht sie schon die Augen. Patzige Antworten und schlagende Türen sind an der Tagesordnung. Was hat sich die Natur nur dabei gedacht???? Wie übersteht man das als normaler Mensch, ohne verrückt zu werden oder das reizbare- - ähh, ich meine natürlich reizende Pubertier in seinem heiligen Zimmer einzumauern??? Wie machen das andere?
Von den Gefühlsschwankungen bekomme ich Schleudertrauma und schon das Anschauen der Heranwachsenden in der Öffentlichkeit gleicht einer Verletzung der Menschenwürde. Darauf hat mich keiner vorbereitet. Die harmlose und freundlich vorgebrachte Bitte, den kleinen Bruder vom Nachbarsjungen abzuholen, kann eine endlose Grundsatzdiskussion lostreten, die in Tränen endet. Das Pubertier verschwindet schmollend in ihrem Zimmer, um dann zwei Minuten später mit bester Laune den Bruder doch abzuholen. Während ich mit geöffnetem Mund fassungslos danebenstehe und nichts mehr begreife. Fotos machen darf ich auch keine, der heimliche Versuch löst unglaubliche Empörung aus. Sie wollen Fabelwesen bleiben. Problematisch ist es aber auch, wenn ich von ihr keine Bilder mache. Sofort wird mir vorgeworfen, die jüngeren Geschwister zu bevorzugen. Auch andere Widersprüche im ihrem Verhalten ziehen sich durch unseren Alltag. So werden zum Beispiel meine Outfits von meiner Tochter ständig kritisiert und als langweilig abgestempelt, während sie ganz selbstverständlich in meinem Kleiderschrank wildert. Oder auch Aufgaben im Haushalt grundsätzlich ablehnt, aber spontan für die ganze Familie das Abendessen kocht.

Ein weiteres großes Thema ist die fehlende Ordnung im eigenen Zimmer. Selbstverständlich ist das eigene Zimmer ein Rückzugsort, den man sich nach den eigenen Vorlieben gestalten kann. Aber dieses Potpourri aus Wäsche (getragen und frisch), Kosmetikartikel, Schulsachen, Pfandflaschen und Altpapier lädt nun wirklich nicht zum Verweilen ein. Das alles gepaart mit muffiger Luft, denn lüften ist tödlich, führt dazu, dass sogar die Katze Angst hat, diesen Raum zu betreten. Die Jüngste bei uns hält das Zimmer allerdings für ein großes Wimmelbild und freut sich jedes Mal, wenn sie da drin auf Schatzsuche gehen darf.
Interessant ist auch das Kälteempfinden eines Heranwachsenden. Während im eigenen Zimmer bei einer Temperatur von unter 25 °C der plötzliche Erfrierungstod eintreten kann, ist es kein Problem draußen bei Minusgraden in einer Jacke, die noch nicht mal die Nieren abdeckt, rum zu laufen. Schall und Mütze und meine Aufforderung, diese zu tragen, werden nur mit einem verächtlichen Augenrollen quittiert. Es ist aber auch eine Unverschämtheit von mir den jungen Menschen an seine Gesundheit zu erinnern. Sie sind ja schließlich so erwachsen und wissen ehe alles an besten.
Doch die geistige Reife verschwindet sofort, wenn die jüngeren Geschwister dazu kommen und der Kampf um die Fernbedienung beginnt. Da wird aus dem scheinbar überlegenen Pubertier ein fünf jähriges Mädchen, das mit der Vierjährigen darüber diskutiert, wer gerade angefangen hat, und dass immer der andere Schuld hat.
Doch bei all dieser jugentlichen Überheblichkeit und Ich-Bezogenheit können die Heranwachsenden einen trotzdem überraschen. So ist es oft passiert, dass meine Tochter von sich aus auf ihre Geschwister aufgepasst hat, sogar für sie gekocht hat, während ich krank im Bett lag. Oder einfach die Wäsche erledigt hat, weil sie merkte, dass ich einfach keine Kraft mehr habe.
Natürlich bin auch ich genauso wie alle anderen Erwachsenen durch die Hölle der Pubertät gegangen, aber ich kann mich nicht daran erinnern so chaotisch und abweisend gewesen zu sein. Meine Eltern sehen das vielleicht anders. Die Zeit, in der Kinder zu Erwachsenen werden ist für alle Beteiligten aufregend und nicht ohne Tücken. Doch wie jeder andere Abschnitt gehört auch dieser zum Leben dazu. Es ist schön den eigenen Kindern dabei zu zusehen, wie sie die Welt um sie herum neu begreifen ihren Horizont erweitern und es ist ein Geschenk, wenn sie ihre Ansichten mit einem Teilen. Jugendliche in der Pubertät kann man nicht mehr erziehen, man kann sie nur noch begleiten und mit Rat und Tat zu Seite zu stehen. Auch wenn sie es nicht zu geben, so brauchen sie trotzdem als erstes ihre Eltern. Und für alle pubertären Nebenwirkungen empfehle ich für die Eltern Yoga und guten Wein.

Hey an alle Ich bin die Tochter,
Ich würde sagen meine Mutter übertreibt ein bisschen so schlimm bin ich gar nicht, natürlich gab es eine Zeit, in der ich unerträglich war aber mittlerweile habe ich mich gebessert. Da kann sie mir bestimmt zustimmen.